Bericht vom Petersplatz in Rom

Stephan Mies (ehemals Stamm Sankt Ansgar in Hamburg-Farmsen) mit einem Stimmungsbericht vom Petersplatz in Rom.

"Oft, wenn ich in den vergangenen Jahren gefragt worden bin, wie lange ich
denn noch in Rom bleiben moechte, habe geantwortet:" bis zum naechsten
Konklave!"

In den letzten Monaten bei Fuehrungen durch die beruehmte
sixtinische Kapelle erzaehlte ich meinen Gruppen, dass hier die Kardinaele
den neuen Papst waehlen werden, FALLS der derzeitige Amtsinhaber stuerbe, so
unwahrscheinlich schien mir dieser Fall, nach all den letzten Jahren, in
denen Johannes Paul II. immer wieder auf die Beine gekommen ist.

Und auch der vorletzte SPIEGEL titelte ja: "der Unsterbliche", was mir zu denken
geben wird, falls ich dereinst selbst so vom SPIEGEL genannt werden sollte.
Dann ist es Zeit, sich auf die Ewigkeit vorzubereiten.

Jetzt ist dieser Fall eingetroffen. Johannes Paul II. ist tot und es ist
ganz anders, als wie man es sich vorgestellt hat. Eigentlich hat man es sich
ja auch nie so richtig vorgestellt. Man hat Bemerkungen gemacht, vielleicht
zotige Witze darueber gerissen, theoretisch durchsprochen, was dann
geschehe, aber richtig vorgestellt, was und wie das passiert, hat man doch
nicht.

Die letzten Tage hier waren bewegend. Ich war dabei, als die Menge sich am
Freitag hier auf dem Platz einfand. Aus ganz unterschiedlichen Gruenden, aus
Neugierde, aus frommen Wunsch, den Papst im Sterben zu begleiten, aus der
Hoffnung, durch die Gebete das Sterben noch einmal von ihm abzuwenden, aus
Zufall. Auch den ganzen Samstag ueber stroemten Leute auf den Platz. Es war
strahlender Sonnenschein. Eine seltsame Mischung aus Volksfest und
Trauerstimmung machte sich breit. Fast schien es, als ob sich die roemischen
Familien aufmachten, ihren Samstagsnachmittagsspaziergang dem terbenden
Papst zu widmen. Und dann der Abend: wieder Stille und Besinnlichkeit auf
dem Platz. Man versammelt sich schweigend auf dem Platz. Trifft Freunde,
ohne sich verabredet zu haben. Man wacht und betet. Dann wird offiziell der
Rosenkranz angestimmt, und man ist dankbar dafuer, denn man kann sich an
dieser kleinen Kette festhalten. Hat was in der Hand und ist ploetzlich gar
nicht mehr so allein trotz der immer anwachsenden Menge.

Am Ende dann die Nachricht, die zunaechst keiner mitbekommt: "wir begleiten
schweigend den Papst, der sich jetzt mit seinem Erloeser im Himmel trifft". Es
dauert eine ganze Weile, bis die Botschaft dahinter ankommt: Johannes Paul II
ist tot. Die Menschen beginnen zu weinen, man scharrt sich enger umeinander,
faellt Fremden um den Hals. Man hat es gehoert, aber dennoch nicht begriffen. Das
wird wohl erst in den kommenden Tagen geschehen.

Diese Tage sind gekennzeichnet von einer gewissen Hektik. Schon am Tag nach
dem Tod, am Sonntag, wird deutlich, dass zwei Millionen Menschen hier in Rom
erwartet werden, um dem Papst die letzte Ehre zu erweisen. Es wird
organisiert und geplant. Die Strasse, die zum Petersplatz fuehrt, wird
abgesperrt, um die Menge, die beim Papst kondolieren will, zu ordnen. Und so
sieht es gerade hier aus am Dienstag: seit gestern Abend stroemen diese
Massen in den Petersdom, wo der Papst aufgebahrt ist. Alt und jung,
katholisch, laizistisch, italiener und Menschen aus der ganzen Welt. Es
scheint, dass der Papst wirklich ein Brueckenbauer war. Zwischen den
Menschen und zwischen den Generationen. Alle kommen sie jetzt hier zusammen,
reihen sich ein in die kilometerlange Schlange vor dem Dom. Viele
italienische Pfadfindergruppen reisen an, und beileibe nicht nur die KPE.

So ist Rom in diesen Tagen wieder einmal Weltstadt geworden. Zentrum eines
Glaubens, der in Europa vielleicht doch noch eine Chance hat. Auf jedenfall
ein eindrucksvoller Sterbeort eines eindruckvollen Menschens."

 
Stephan Mies, Rom 05.04.05

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Stephan war lange Jahre im Stamm Sankt Ansgar Leiter und studiert seit einigen Jahren
in Rom. Viele Besucher haben seine fachkundigen und interessanten Führungen durch die Kirchen in Rom schätzen gelernt.